Windkraft-Kritiker sind sich sicher: „In Kammer wird es keine Windräder geben“

Stand: 09.12.2024, 11:06 Uhr, von Hubert Hobmaier, ovb24

Hier ist das script des Vortrags
 Hier ist der offene Brief des Referenten an das ovb vom 13.12.2024
 Hier ist der offene Brief des Referenten an das ovb vom 17.12.2024

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Zwei der Hauptredner des Abends: Diplom-Physiker Dieter Böhme (links) und Mitorganisator StefanSpiegelsberger. © Fotomontage hob

Ob Windräder in den Wald bei Froschham, zwischen Kammer und Otting, gebaut werden, ist noch immer nicht entschieden - jetzt sorgte ein Diskussionsabend der Windkraft-Gegner für einen vollen Saal in Rettenbach.

Viele Menschen folgten der Einladung der Bürgerinitiative „Nein zum Windpark“, die zu einer Infoveranstaltungim Gasthaus Jobst in Rettenbach geladen hatte. Als Hauptredner trat der Diplom-Physiker Dieter Böhme ansRednerpult und beleuchtete diese Energieform aus Sicht der Physik. Wolfgang Osenstätter mahnte, „dass damitein tolles Stück Natur geopfert wird“ und Mitorganisator Stefan Spiegelsberger informierte darüber, „warum es inKammer keine Windräder geben wird“. Eine lebhafte und mitunter energiegeladene Debatte folgte im Anschlussan die Vorträge, bei der „Befürworter und Kritiker“ gleichermaßen zu Wort kamen.„Befürworter und Gegner leben in zwei Welten“ so die Organisatorin Christa Wimmer aus Waging bei ihrerBegrüßung. Sie betonte aber auch, dass „zamkemma und diskutieren“ weiterhin wichtig sind. Der ehemaligeStadtrat und Forstreferent Wolfgang Osenstätter aus Kammer trat als erster Redner des Abends auf die Bühne.Er informierte darüber, dass 31.000 Bäume auf 25 Hektar wissenschaftlich erfasst sind. Darüber gab er bekannt,dass der Wald seit 2020 das PEFC-Siegel trägt, was für eine nachhaltige Forstwirtschaft steht. Seiner Meinungnach handelt es sich „um ein Stück Kulturgut, das geopfert werden muss“. Zur zeitlichen Aufarbeitung nutzteWolfgang Osenstätter das Buch von Klaus Oberkandler, das sich mit dem Ort und dessen Geschichte befasst.

Als „Physiker im Unruhestand“ bezeichnete sich Dieter Böhme, der als Hauptredner des Abends nach Kammergekommen war. In seinem Vortrag beleuchtete er die Windenergie aus „physikalischer Perspektive“ unduntermauerte seine Aussagen mit zahlreichen Grafiken und Statistiken, die in einer begleiteten Präsentationgezeigt wurden. Als „bescheidenen Anteil“ des gesamten deutschen Stromverbrauches von etwa 70 GWbezeichnete er die grundlastfähigen Anteile von Wasser und Biomasse, die gut 10 GW liefern. Je nach Sonneund Wind entsteht seiner Aussage nach eine mehr oder weniger große Differenz. „Diese Differenz gleichengenau die Kraftwerke aus, die nun abgeschalten werden sollen“, betonte er.Die Frage „warum immer mehr und immer höhere Windräder gebaut werden“, bezeichnete er als seinen Antrieb,sich mit der Materie auseinander zu setzen. Er präsentierte dazu ein Beispiel, dass rechnerisch pro QuadartmeterRotorfläche lediglich 40 Watt elektrische Leistung herauskommen. Gerade größere Windparks haben seinerEinschätzung nach, einen Einfluss auf die Atmosphäre, was dazu führen kann, „dass es mehr Regen auf der Seeund weniger Regen auf dem Land geben wird“.

Kritisch betrachtete er auch den Bau von großen Solarparks. Die dunklen Platten erzeugen sehr viel Wärme undbeeinflussen somit auch die Umgebung der Anlagen. Problematisch sieht Dieter Böhme auch die vielen kleinenTeilnehmer am Strommarkt. „Wir brauchen zu jeder Sekunde ein exakt abgestimmtes Verhältnis von Angebot undNachfrage“, sagte er und betonte, dass die Regelung mit zunehmendem Einsatz kleiner Energieanbieter immerschwieriger wird. Seiner Meinung nach werden die Stromausfälle zukünftig weiter zunehmen. Daher betonte er„schwere Kraftwerksturbinen sind einfach die Taktgeber“, die das Stromnetz braucht.Als „Wünsch dir was“ bezeichnete Dieter Böhme die Situation, dass sehr viele Akteure bei der Energiefragemitreden – „man muss auch etwas davon verstehen“, betonte er und führte dazu an, dass „man Deutschlandbeispielsweise komplett mit Mais zubauen muss, damit es reicht“. Kritisch sieht er auch die Wasserkraft, da diesenicht weiter signifikant ausgebaut werden kann. Ähnliche Probleme sieht er bei der Geothermie, den Einsatz vonLuft-Wärme-Pumpen oder den verstärkten Einsatz von Wasserstoff.

Die Stromspeicherung in großem Umfang sieht der Physiker derzeit noch in weiter Ferne. Das Vorgehen bei derEnergiewende bezeichnete er als „Ausflug in die Wüste, bei dem man hofft, dass irgendwo eine Oase kommt“.Deshalb kommt er zum Schluss, dass diese aus technischer Sicht „völlig unrealistisch“ sei. Mit den derzeitigenMaßnahmen erlebt Deutschland „einen Rückgang der Leistungsdichte ins Mittelalter“, so seine Einschätzung. Als positives Beispiel für die Energiefrage führte Dieter Böhme eine Kernenergieanlage in Russland an, „die mit Atommüll betrieben wird“. Gleichzeitig sprach er sich für die Nutzung von Gaskraftwerken aus, die schnell aufStromschwankungen reagieren können. „Wir sind erst am Anfang der Energiewende“, so seine Einschätzung undbetonte aber auch, dass es erdgeschichtlich immer wieder zu Klimaveränderungen gekommen sei.

„Dies ist der Grund, warum es in Kammer keine Windräder geben wird“, so eröffnete Stefan Spiegelsberger alsdritter Redner des Abends seine Ansprache. Die Bürgerinitiative hat herausgefunden, dass es sich bei dem Waldin Froschham „um ein absolutes Klimaschutzprojekt handelt“, so der Redner. Seiner Aussage nach handelt essich „um ein weltweites Klimaschutzprojekt“ an dem dieser Wald, als einer von vier Flächen in Europa beteiligt ist.„Damit ist unser Wald Vorreiter für Wälder in ganz Europa“ betonte Stefan Spiegelsberger und ergänzte „wer jetztnoch sagt, dahin bauen wir Windräder, der hat wirklich einen an der Waffel“.Die Möglichkeit zur Diskussion und für Fragen nutzten zahlreiche Veranstaltungsbesucher. Dadurch entwickeltesich eine lebhafte und mitunter „energiegeladene“ Debatte über das für und wider der Windkraftnutzung. Rundeineinhalb Stunden tauschte man Argumente aus. Die erste Frage des Abends lautete „gibt es zu wenig Windoder zu wenig Fläche für die Windkraftanlagen?“, die Dieter Böhme kurz und knapp mit „zu wenig Wind“beantwortete. Ein Versammlungsteilnehmer erwiderte, dass die Sonne das Klimasystem antreibt und somit nichtmit einem Rückgang der Windgeschwindigkeiten durch die Stromerzeugung zu rechnen sei.

Die nächste Frage bezog sich auf die Ergebnisse der Windmessung. „Die Daten wurden an den Auftraggeberübermittelt“, informierte Stefan Schindler von der beauftragten Projektfirma. Ein weiterer Teilnehmer schlug vor,dass man in den Kraftwerkskanälen in Traunstein eine weitere Anlage zur Stromerzeugung installieren solle.Eine weitere Frage zielte auf den Ausbau der Windkraft beziehungsweise, ob 30 Prozent Windenergienutzungrealistisch sind ab. Dieter Böhme antwortete, „die Dunkelflaute ist hier ein großes Thema“, nämlich dann, wennkein Wind weht oder keine Sonne scheint. Weiter betonte er, „die Physik gibt es schlichtweg nicht her“. Dienächste Frage galt der Verwertung ausrangierter Rotorblätter. Stefan Schindler sagte, dass es Zementherstellerverwerten können und nannte dazu ein Beispiel. Die Anschlussfragen nach der Kapazität der Verwertung sowiedas Entstehen von Mikrostäuben konnte niemand an diesem Abend beantworten. Gleiches gilt für die Frage nachder Asbestfreisetzung sowie Rückstände in den Baustoffen.

Mit einer Meinung zu den Windrädern in Palling ging die Diskussionsrunde weiter. Ein Besucher meinte, „dieWindräder stehen oft still und wenn sich die schon nicht drehen, dann brauche ich auch keine weiteren“. Auf dieFrage zum Ausbau der Nutzung von Energiespeichern antwortete Dieter Böhme, „jeder Speicher macht denStrom einfach teurer“. Gleichzeitig kritisierte er, dass die Abschaltentscheidung der Kohle nicht von Expertenbegleitet wurde. Weiter gab er an, „dass China und Indien diesbezüglich ein Vielfaches an neuen Anlageninstallieren, was wir in Deutschland jemals abschalten können“.

Die nächste Anmerkung zielte auf die Nuklearkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011 ab. „Lieber Photovoltaikund ein Windrad vor der Tür als ein Atomkraftwerk“, so die Aussage. Hier antwortete Dieter Böhme, „inFukushima wurden durch das Meer die Notstromaggregate überspült, was die Reaktorkühlung verhindert hat.Dies sei bei uns gar nicht möglich“. Weiter sagte er, „wir müssen doch aus diesen Fehlern lernen“ und zieltedabei ab, den Betrieb der deutschen Anlagen sicherer zu gestalten.Kritisch bewertet Dieter Böhme auch die Regelungen des Rotorschalles. „Der Schall wird bewertet“, betonte eraber der Infraschall findet seiner Meinung nach keine Berücksichtigung in den Richtlinien. Somit kommen seinerEinschätzung nach, die Hersteller beziehungsweise die politischen Verantwortungsträger dem „Vorsorgeprinzip“zum Schutz der Anwohner nicht nach.Lebhaft wurde die Debatte in den verschiedenen Meinungen zum „Schutzstatus“ des Waldes in Froschham.Markus Wimmer vom Aktionsbündnis Bürgerwindräder im Landkreis Traunstein informierte, „ich habe mit demFörster gesprochen und dieser hat bestätigt, dass die Standorte der Windkraftanlagen nicht den Forschungswaldbetreffen“. Dies wiederum sahen die Veranstalter anders und so entwickelte sich ein „Wortgefecht“ mit unterschiedlichen Meinungen. Eine endgültige Klärung des Sachverhalts konnte an diesem Abend nichtherbeigeführt werden.Mitveranstalterin Gerlinde Hohenadel zog am Ende ein positives Fazit. „Wir haben miteinander gesprochen, wirhaben diskutiert und wir haben unsere Meinungen ausgetauscht“, so ihre Einschätzung. Darüber hinaus brachtesie ihre Freude zum Ausdruck, dass der Saal im Gasthaus Jobst in Rettenbach fast komplett gefüllt war und dieMenschen in der Region gezeigt haben, dass sie mitgestalten wollen. Als einzigen Wermutstropfen bezeichnetesie das ausgeschlagene Angebot zur Podiumsdiskussion zusammen mit den Befürwortern. (hob)

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